Dienstag, Oktober 31, 2006

Halloween


In den USA wird mit verurteilten Sexualstraftätern nicht gerade zimperlich umgegangen (ein Vorgehen, das sich vermutlich manche hiesige Politiker wünschen würden): Die Auflagen anlässlich der Halloween-Nacht, von denen SpiegelOnline berichtet, wirken jedenfalls aus deutscher Sicht eher skurril. [Foto via pixelquelle]

Statistikfundgrube

Auf der Seite des Statistischen Bundesamtes gibt es das Statistische Jahrbuch 2006 erstmals vollständig als pdf-File zum Download (als Ganzes, aber auch in Einzelkapiteln) - eine unerschöpfliche Fundgrube zu allem, was sich in Zahlen fassen lässt (z.B. Todesursachen, Krankheitskosten aber auch juristische Kennzahlen).

Behandlungsschweigepflicht

In einem sehr gut strukturierten Artikel für den DocCheck-Newsletter arbeitet die Rechtsanwältin Dr. Gabriele Pietzko eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 11.08.2006 (Aktenzeichen: 14 U 45/04) auf. Dort wurde betont, dass bereits die Tatsache, dass ein Patient sich bei einem Arzt in Behandlung befindet, der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt: Die Verpflichtung des Arztes zur Wahrung des Geheimbereichs des einen Patienten habe auch Vorrang gegenüber seiner vertraglichen Nebenpflicht zur Hilfe bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüche eines anderen Patienten gegen diesen Patienten. Der Arzt könne nach § 203 Abs. 1 Ziffer 1 StGB wegen Verletzung von Privatgeheimnissen angeklagt werden.

Zivilcourage ist kein Kampfesmut

Bedrückend ist die Lektüre eines Artikels bei SpiegelOnline zum Thema Gewalt in Bus und Bahn. Noch bedrückender ist, dass inzwischen empfohlen werden muss, den geordneten Rückzug anzutreten, wenn es nach Ärger riecht ...

Montag, Oktober 30, 2006

Kinderarbeit

Ein 15jähriger Junge hat in Orlando/Florida einen Nahverkehrsbus, der auf einem Betriebsgelände auf den Verkauf bei einer Auktion wartete, entwendet und damit eine reguläre Buslinie bedient, Passagiere aufgenommen und Fahrkarten verkauft. Ein Fahrgast, der sich über das jugendliche Aussehen des ansonsten korrekt fahrenden Buschaffeurs wunderte, informierte schließlich die Polizei. Der Junge war bereits wegen eines ähnlichen Busdiebstahls aufgefallen.

Donnerstag, Oktober 26, 2006

Transatlantische Akteneinsicht

Wie Heise heute berichtet, dürfen US-amerikanische Fahnder zukünftig im Rahmen von Arbeitstreffen Einsicht in Unterlagen der europäischen Strafverfolgungsbehörde Eurojust nehmen. Mit dem Argument der effektiveren Terrorismusbekämpfung rechtfertigten Brüssel und Washington immer tiefere Eingriffe in die Privatsphäre von EU-Bürgern und den zunehmenden Abfluss persönlicher Informationen in die USA.
Auch ein Aspekt der Globalisierung (und einer, der mir Magengrimmen verursacht)

Mittwoch, Oktober 25, 2006

Sinnvolles Bürozubehör

Golem stellt heute ein Sitzmöbel vor, das sich mit Geräten wie Computer, Monitor, Drucker, Stereoanlage oder Fernseher koppeln lässt. Sensoren in der Sitzfläche des Bürostuhls melden die Anwesenheit des Be-Sitz-ers weiter und können so auch veranlassen, dass sich z.B. die Heizung oder die Kaffeemaschine in Betrieb setzt oder beim Verlassen des Platzes der PC automatisch in den Stand-by-Modus geht. Die Technik könne nicht nur in alle künftigen Modelle des Herstellers eingebaut werden, sondern auch nachträglich in bereits vorhandene - schöne neue Welt.

Dienstag, Oktober 24, 2006

Bonnie und Clyde auf türkisch

Der Strafblog wundert sich heute: "Die beiden jungen Männer, deren Bild heute morgen im Zusammenhang mit einer unbegreiflichen Mordserie in der Türkei in den Nachrichten gezeigt wurde, sehen ganz unauffällig aus, jedenfalls nicht wie brutale Killer."
Im nächsten Satz fragt Rainer Pohlen aber gleich, wie denn brutale Killer eigentlich aussehen sollten und stellt fest: "In erster Linie sind es wohl Dinge, die sich im Inneren eines Menschen abspielen, die ihn entgleisen lassen und manchmal zur Bestie machen."

Das gerade macht die Gutachtentätigkeit im Strafrecht so interessant: Herauszufinden wie der Proband dazu kam, zum Täter zu werden.

Donnerstag, Oktober 19, 2006

Rechtsradikale Codes entschlüsselt


Der im Maßregelvollzug bzw. als Gutachter Tätige begenet immer wieder Personen, die einen Dresscode nutzen, der der rechtsradikalen Szene zuzuordnen ist.
Die Agentur für soziale Perspektiven hat dazu die Broschüre Versteckspiel herausgegeben, deren Inhalte hier auch online abzurufen sind (Blättern über das Menü links) und die ein wertvolles Nachschlagewerk darstellt. Wer das Heft lieber in gedruckter Form vorliegen hat, kann die Veröffentlichung auch zum Versand per Post bestellen. [Foto via PixelQuelle.de]

Mittwoch, Oktober 18, 2006

Fibromyalgie - die endlose Geschichte

Im letzten Heft des "Medizinischen Sachverständigen" (5/2006), einer Zeitschrift, die m.E. für den gutachterlich tätigen Arzt zur Pflichtlektüre gehört, befasst sich Wolfgang Hausotter ausführlich mit der Diagnose (Hausotter nennt sie Leidensbezeichnung) Fibromyalgie.
Der Autor eines Fachbuchs zur Begutachtung somatoformer und funktioneller Störungen beschäftigt sich schon seit längerem mit diesem Krankheitsbild und vertritt die Meinung, dass die pseudoorganische Diagnose den Blick auf tiefsitzende seelische Krankheitsursachen verstelle und zur Schmerzchronifizierung beitrage.

Die Zusammenfassung des Artikels lautet:

"Der Begriff „Fibromyalgie“ wird von bestimmten Arztgruppen häufig gebraucht, um einen diffusen Ganzkörperschmerz zu klassifizieren. Die diagnostischen Kriterien – die rein subjektiv sind – wie ausgedehnte Schmerzempfindung, lokaler Druckschmerz an den „tender points“ und vielfältige weitere subjektive Befindlichkeitsstörungen orientierten sich an einer Veröffentlichung von F. Wolfe et al. (1990) für das American College of Rheumatology. Bemerkenswerterweise hat F. Wolfe 2003 ausdrücklich von den von ihm selbst publizierten Kriterien Abstand genommen, ganz besonders von den „tender points“, die bisher als richtungweisend für die Diagnosestellung galten („mindestens 11 von 18 tender points positiv“). Damit entfällt im Grunde die bisherige diagnostische Basis für die Fibromyalgie. Die Zuordnung als psychosomatisches Krankheitsbild setzt sich heute zunehmend durch und danach sollte sich auch die gutachtliche Beurteilung ausrichten."
Hausotter vertritt die These, dass im Rentenverfahren die Begutachtung keinesfalls ausschließlich durch einen Rheumatologen oder Orthopäden erfolgen sollte, sondern primär durch einen Psychiater, der dann die übrigen Fachgebiete zur Ausschlussdiagnostik einbeziehen könne.

In meiner gutachterlichen Praxis begegnet mir die Fibromyalgie in der Regel in Verbindung mit einem Krankheitsbild, das früher als Involutionsdepression bezeichnet wurde bzw. als Syndrom im Rahmen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.

Internetsucht - wirklich ein Problem?

Hier hatte ich schonmal zum umstrittenen "Krankheitsbild" der Internetsucht geschrieben. Heute ist im Heise-Newsticker eine Meldung zu finden, nach der die Universität Stanford Studienergebnisse vorgelegt habe:

Nach vorläufigen Ergebnissen einer Studie von Wissenschaftlern der School of Medicine der Stanford University soll einer von acht amerikanischen Internetnutzern zumindest ein Symptom von Internetsucht zeigen. Aufgrund einer repräsentativen Telefonumfrage bei über 2500 Erwachsenen habe sich gezeigt, dass eine kleine, aber wachsende Zahl von Internetnutzern ihre Ärzte aufgrund ihrer Abhängigkeit aufsuchen. Zwanghaft wie Süchtige müssen sie ihre Emails überprüfen, Blogeinträge machen oder Websites und Chaträume besuchen.
Normalerweise sei der Internetsuchtgefährdete ein männlicher und weißer, gut gebildeter Single um die 30 Jahre, der durchschnittlich 30 Stunden wöchentlich im Internet verbringt, ohne wichtigen Arbeiten oder Aufgaben nachzugehen. [via heise.de]
Immerhin wurde hier eine größere Stichprobe untersucht. Ob die Internetsucht aber tatsächlich ein eigenständiges Krankheitsbild ist, sei weiter umstritten. Sie sei jedoch inzwischen zum Forschungsgegenstand und zu einem wirtschaftlichen Problem geworden, da nach Auskunft von Elias Aboujaoude, Direktor der Impulse Control Disorder Clinic der University of Stanford, ein Teil der nicht unmittelbar mit der Arbeit zusammenhängenden Internetnutzung am Arbeitsplatz stattfinde.

Nach der Umfrage waren 68,9 Prozent der Befragten regelmäßige Internetnutzer. 13,7 Prozent sagten, sie hätten Schwierigkeiten, einige Tage nacheinander nicht online zu sein. 12,4 Prozent würden länger online bleiben, als sie eigentlich beabsichtigt hatten. 8,7 Prozent räumten ein, dass sie versucht haben, ihre nicht mit Arbeit oder anderen Notwendigkeiten verbundene Internetnutzung vor ihrer Umgebung zu verbergen, fast ebenso viele benutzen das Internet, um Problemen auszuweichen oder schlechte Stimmung zu heben. 5,9 Prozent erklärten, dass ihre Beziehungen unter der exzessiven Internetnutzung gelitten haben. [via heise.de]

Das heiße, dass zwar viele Menschen Probleme mit ihrer Internetnutzung hätten, es aber noch zu früh sei, daraus eine klinische Störung abzuleiten; dafür müsse noch weiter geforscht werden. Bedenklich stimme den Forscher, dass manche versuchten, ihre Internetnutzung geheim zu halten bzw. sie als "self-medication" zu nutzen - das hätten sie mit Alkoholikern gemeinsam.

Dienstag, Oktober 17, 2006

Präventiver Fahrzeugsentzug

Hatte ich mich hier nicht schon über im Herbst auftauchende Sommerloch-Inhalte gewundert? Die im RA-Blog zitierte Meldung bekommt hier einen Ehrenplatz (und es erscheint mir auch völlig klar, dass sie nur über die Zeitung mit den großen Buchstaben verbreitet werden konnte):
Der innenpolitische Sprecher der Union, Wolfgang Bosbach, will eine Gesetzesinitiative zur Eindämmung von Sexualstraftaten starten, nach der Sexualstraftäter nach Verbüßung der Haftstrafe kein Auto mehr besitzen oder fahren dürfen. Die Begründung ist, dass die meisten Sexualstraftaten mit Hilfe eines Fahrzeugs vorbereitet oder begangen würden.

Angesichts der vielen Verkehrstoten könnte man mit der gleichen Argumentation weitaus schlüssiger den Autobesitz überhaupt untersagen: Denn es kommen nicht nur die meisten, sondern alle Verkehrstoten durch Kraftfahrzeuge ums Leben ...

Der RA-Blog kann sich die Feststellung nicht verkneifen, dass Bosbach nach seiner Karriere als Supermarktleiter mit 39 Jahren sein Jurastudium mit dem 2. juristischen Staatsexamen beendete und seit 1991 als Rechtsanwalt zugelassen ist. Eine mögliche Gesetzesinitiative aus meiner Sicht könnte also lauten, Supermarktleiter nicht mehr zum Jurastudium zuzulassen.

Total Recall

Einem Bericht von CNN zufolge arbeitet Gordon Bell, ein Ingenieur bei Microsoft an einem Mechanismus, der es ermöglicht, dass sich ein "backup brain" an jede Kleinigkeit im Leben der jeweiligen Person erinnern kann. Er sagt über sein Projekt:

"The quest is to essentially build a surrogate memory. Something that's as good as my own memory, that I can use it as a supplement, and will remember everything that I should have remembered, that came to my ears, eyes, whatever."
Die Idee an sich ist natürlich prickelnd: So kann man sich an Namen und Telefonnummern erinnern, verlegt nichts mehr, behält Gesprächs- und Lerninhalte usw.

Aber aus der psychotherapeutischen Praxis weiß ich, dass es bei manchen Dingen ganz gut ist, wenn man sie auch (geordnet oder ungeordnet) vergessen kann ...

Montag, Oktober 16, 2006

Stalking - nicht loslassen können

Der Beitrag von Wolf-Dieter Roth in Telepolis weist auf einen Themenabend bei arte hin und liefert einen kurzen Überblick zum Thema.
Was mir fehlt, ist die Sicht des behandlungsbedürftigen Täters. Wird er erst therapiert, wenn er nach einer Verurteilung im Knast oder Maßregelvollzug sitzt? Was für Möglichkeiten gibt es vorher?
Auch die gesellschaftspolitische Komponente kommt zu kurz: Werden Stalker nicht auch durch die Berichterstattung in den Medien regelrecht gefüttert?

Handyortung

Das Bundesverfassungsgericht hat nach einer Meldung des Inquirer von heute morgen festgestellt, dass es nicht gegen die Grundrechte des Bürgers verstoße, wenn die Polizei per Scanner (IMSI-Catcher) Mobilfunkdaten, Kartennummer oder Standort eines Handys ohne richterliche Anordnung ermittele, auch läge kein Eingriff ins Fernmeldegeheimnis vor (AZ: 2 BvR 1345/03). Die Verfassungsbeschwerde einer Bürgerrechtsorganisation und weiterer Kläger blieb somit ohne Erfolg und wurde vom zweite Senat erst gar nicht zur Entscheidung angenommen.

Immerhin stellt diese Art der Überwachung vermutlich einen so großen Aufwand dar, dass sie nicht nach dem Gießkannenprinzip angewendet werden dürfte.

Freitag, Oktober 13, 2006

Online-Pranger - Platz für alle(s)

Fast könnte man meinen, das Sommerloch sei noch nicht durchschritten, da mal wieder (von einer Politiker-Äußerung in der Zeitung mit den großen Buchstaben angestoßen) eine öffentliche Sexualstraftäter-Datenbank nach US-Muster diskutiert wird: Nach Eingabe einer Postleitzahl lassen sich Fotos und Daten von verurteilten Sexualstraftätern in der unmittelbaren Umgebung abrufen ... Dass das nicht nur der Sicherheit und Abschreckung dient, sondern auch Futter für Voyeurismus und Lynchjustiz sein kann, ist offenkundig.

Angesichts der deutlich höheren Zahl von Verkehrsopfern durch Fahren unter Alkoholeinfluss (etwa die Hälfte aller Verkehrsopfer sind Folge alkoholbedingter Verkehrsunfälle, etwa 20% aller Verkehrstoten sind dem Alkohol zuzuschreiben) könnte doch noch eher eine öffentliche Datenbank von hier einschlägig Verurteilten sinnvoll sein. Und überhaupt, warum nicht gleich das Bundeszentralregister öffentlich machen ...

Die Diskussion driftet in eine gefährliche Richtung.

Donnerstag, Oktober 12, 2006

Nötigung zur Zahnpflege

Im Blog der 4 Strafverteidiger ist heute die Anekdote zu finden, dass Häftlinge einen Zellengenossen, der defizitäre Körperhygiene aufwies, zwangsweise die Zähne putzten, weil die Ausdünstungen des Mannes unerträglich gewesen seien.
Die besonderen Umstände der Tat hätten sich im Strafmaß der Verurteilung wegen Nötigung niedergeschlagen.

Sonntag, Oktober 08, 2006

Introspektionsförderung in großem Rahmen

Dass ich das Blog von Bruce Schneier für überaus lesenswert halte, habe ich ja schon mehrfach durchblicken lassen. Vorgestern hat er dort ein paar schnippische Zeilen zu einer mit Mitteln des Homeland Security Department entwickelten Software geschrieben, die in der Lage sein soll negative Meinungen über die Vereinigten Staaten und ihre Regierung in Presse und anderen Medien weltweit zu überwachen.

Einerseits, so Schneier "This kind of thing could actually be a good idea. For example, it could be used to help the administration understand how we are viewed by people in other countries, and make us more responsible players on the world stage as a result."

Andererseits ermöglicht es aber auch, unliebsame Journalisten ausfindig und ihnen die Arbeit schwer zu machen.

Schneier schließt seinen Artikel mit dem Satz: "I have to admit I find the whole thing a bit too Orwellian for my tastes."