Dienstag, September 05, 2006

Nachträgliche Sicherungsverwahrung

Das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht heute eine Pressemitteilung zu einem Beschluss vom 23.08.2006 (2 BvR 226/06), in dem es um die nachträgliche Anordnung einer Sicherungsverwahrung geht:

"Gegen den betäubungsmittelabhängigen Beschwerdeführer, der zuletzt eine achtjährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Totschlags verbüßt hatte, ordnete das Landgericht gemäß § 66 b Abs. 2 StGB nachträglich die Sicherungsverwahrung an. Dabei stützte es das Vorliegen neuer Tatsachen darauf, dass der Beschwerdeführer sich zum Zeitpunkt seiner Verurteilung schuldeinsichtig und therapiewillig gezeigt, die in ihn gesetzten Erwartungen des Gerichts aber durch sein im Strafvollzug und im Vollzug der Maßregel gezeigtes Verhalten enttäuscht habe. Ergänzend zog das Gericht disziplinarische Vergehen des Beschwerdeführers heran, nämlich ein zweimaliges Anbringen von Rasierklingen unter dem Tisch seines Haftraums, das Zu-Boden-Stoßen eines Mitinsassen im Maßregelvollzug, der ihn als "aidskranken Knacki" bezeichnet hatte, und das Einschlagen auf eine Grünpflanze. Der Bundesgerichtshof verwarf die gegen die Entscheidung des Landgerichts gerichtete Revision.
Die gegen die strafgerichtlichen Entscheidungen gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die angegriffenen Entscheidungen auf und verwies die Sache zurück an das Landgericht."
Zur Begründung steht dazu in der Pressemitteilung:
"In der Gesamtschau der den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde gelegten neuen Tatsachen zeigt sich, dass die Strafgerichte an die Frage einer im Vollzug zu Tage getretenen erheblichen Gefährlichkeit Maßstäbe des Wohlverhaltens anlegen, die sonst bei der Verhängung disziplinarischer Maßnahmen, der Gewährung von Lockerungen und der Strafrestaussetzung zur Bewährung herangezogen werden. Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung folgt nicht diesen Maßstäben, sondern setzt bereits auf der Stufe der Feststellung neuer Tatsachen einen empirisch belastbaren Zusammenhang zwischen den im Vollzug erkennbar gewordenen Tatsachen und einer durch sie zu Tage getretenen erheblichen Gefährlichkeit voraus. Es reicht ferner verfassungsrechtlich nicht aus, eine hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger erheblicher Straftaten bereits dann anzunehmen, wenn überwiegende Umstände auf eine künftige Delinquenz des Betroffenen hindeuten. Erforderlich ist die Feststellung einer gegenwärtigen erheblichen Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit."
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist ja sowieso ein umstrittenes Konstrukt - hier legt das Bundesverfassungsgericht in erfreulicher Klarheit fest, auf welcher Basis neuer Tatsachen die Anordnung erfolgen darf.

Mal sehen, was draus wird ...

Keine Kommentare: