Gerade habe ich entdeckt, dass es einen überaus anregenden Artikel aus "Der Neurologe & Psychiater" auch online verfügbar gibt: Frau PD Möller-Leimkühler von der LMU München erklärte in Heft 11/06 "Wie Sie die »männliche Depression« erkennen" und kam darin zu folgendem Fazit:
- Es gibt konsistente Hinweise dafür, dass die Depressionsrate von Männern unterschätzt wird und dass Männer im Vergleich zu Frauen seltener professionelle Hilfe wegen depressiver Symptome in Anspruch nehmen, weil sie diese dissimulieren und abwehren.
- Eine große Herausforderung besteht insbesondere für niedergelassene Nervenärzte und Hausärzte darin, depressive bzw. depressionsgefährdete Männer rechtzeitig zu identifizieren. Dazu gehört eine intensive Exploration, die emotionale und psychosoziale Probleme mit einschließt, und die Ermutigung, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- Depression bei Männern kann besser diagnostiziert werden, wenn die bisherigen Depressionskriterien geschlechtersensibel erweitert werden. Dabei ist es wichtig, männerspezifische Copingstrategien einer als typisch weiblich geltenden Erkrankung zu berücksichtigen.
- Eine umfassende Depressionsdiagnostik bei Männern impliziert, dass die Komorbidität, insbesondere hinsichtlich Alkoholabhängigkeit und Persönlichkeitsstörungen, abgeklärt wird.
- Eine geschlechtersensible Depressionsdiagnostik und -therapie ist ein wichtiger Schritt zur Reduktion männlicher Suizidalität.
Auch der übrige Artikel ist überaus lesenswert, besonders wenn man ihn durch die Brille des Gutachters liest, der wiederholt mit sozialrechtlichen Fragestellungen zur Depression bei männlichen Probanden zu tun hat. Auch manche forensischen Patienten (§64 StGB) könnten bei Anwendung des von Möller-Leimkühler vorgeschlagenen Konzeptes mit ihrer Geschichte in einem anderen Licht erscheinen.
Ich hätte mir noch einen Exkurs zur Depression bei Männern mit Migrationshintergrund gewünscht ...